Ein wildes Motto für noch wildere Zeiten

Der Wilde Westen liegt im Nagolder Norden. In Pfrondorf genauer gesagt. Dort läuft die Kinderfreizeit Daxburg auf vollen Touren. Gerade in der Pandemie ist es den Organisatoren wichtig, den Kindern unbeschwerte Ferientage zu bieten. Das Motto »Wilder Westen« passt da perfekt. Doch einfach ausblenden lässt sich Corona auch nicht.

 

Im Wald gibt es für die Kinder viel zu entdecken. Zum Beispiel auch Material für den Lager-Bau. Foto: Fritsch

Donnerstag, 12. August 2021, Schwarzwälder Bote Nummer 184
Von Heiko Hofmann - 16:06

Nagold. Die Grenze mutet schon seltsam an. Da hilft auch nicht, dass die gestrichelte Linie im freundlichen
hellen Grün auf den satten Pfrondorfer Rasen aufgesprüht wurde. Sie geht dennoch mitten durch das Spiel und
Freizeitgelände, teilt das Daxburg-Areal rund um die Pfrondorfer Halle in zwei Gebiete – eines für Gruppe A, ein
anderes für Gruppe B. Die Kinder der zweiwöchigen Stadtranderholung Daxburg sind in diese zwei Großgruppen
eingeteilt, die sich wiederum möglichst gar nicht begegnen sollten. Das zu überwachen ist nicht immer ganz
leicht. Doch nicht unmöglich. Und die Daxburg-Kinder ziehen gut mit. Sie haben ja auch schon einiges an Erfahrung
im Umgang mit dem Virus gewonnen – und versuchen aus der Situation eben das Beste zu machen.

»Es ist schön, dass die Lebenshilfe wieder dabei ist«

Mittlerweile stört sich an der Linie auch kaum jemand mehr. Dafür ist in den einzelnen Daxburg-Gruppen einfach
viel zu viel Abwechslung und Spaß geboten. Wilder Westen eben. Ein Motto, um das die Daxburg-Betreuer- Crew jede Menge Action, 
Kreativität und auch Musisches gepackt hat. »In diesem Jahr bieten wir Workshops an«, erzählt Stefan Mohr, der
zusammen mit Youz-Kollegin Marina Sismanidou die Kinderfreizeit leitet. Die Workshops konnten sich die Kinder frei auswählen. An
mehreren Tagen arbeiten sie dort an ihren Projekten – zum Beispiel wird ein Tanz einstudiert, eine andere Gruppe bastelt
wie wild an verschiedenen Projekten, dann gibt es auch noch Akrobaten. Und zwei Workshop-Gruppen zieht es täglich in den Wald,
zu Geländespielen, Lager bauen und allem, was zu einem echten Natur-Abenteuer im Wilden Westen dazu gehört. Eine Besonderheit ist dann
noch der Workshop »Geheimsprache « – hier werden die Kinder in die Grundzüge der Gebärdensprache eingeführt.
Im Rahmen der Inklusionskooperation mit der Lebenshilfe ist übrigens auch ein Kind dabei, das weder hören noch sprechen kann. Gelebte Inklusion
eben – auch das ist die Daxburg. »Es ist schön, dass die Lebenshilfe wieder dabei ist«, freut sich Marina Sismanidou. Vier Kinder hat der
Verein in diesem Jahr beigesteuert – und drei Extra-Betreuer. Und wie jedes Jahr machen alle Beteiligten die Erfahrung, dass im gemeinsamen
Spiel die Berührungsängste und Vorurteile ganz schnell abgebaut werden. Doch so richtig wild geht es im Wilden Westen gar nicht
zu. Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind die Kinder eben sinnvoll beschäftigt. Vor allem aber: Es sind viel weniger
Kinder als sonst. 

Das ist, man ahnt es schon, der Pandemie geschuldet. Mit der im Kreis Calw erreichten Inzidenzstufe zwei war klar, dass
man die Teilnehmerzahl deutlich reduzieren muss. Wo sonst schon mal 120 Kinder tobten, sind es in diesem Jahr
nur 50, betreut von etwa 20 Betreuern. Verhalten waren aber auch schon die Anmeldezahlen. »Bei den Eltern war da viel Zurückhaltung zu spüren
«, erzählt Stefan Mohr. Kein Vergleich also zu den Vor-Corona-Daxburg-Zeiten, in denen die Freizeit im Regelfall gleich am ersten Anmeldetag
ausgebucht war. 

»Wichtig ist, dass wir überhaupt etwas anbieten können« 

Die Vorbereitung einer Kinderfreizeit in Pandemiezeiten
ist denn auch ein Kunststück für sich. Ein wenig Frust schwingt mit, wenn Marina Sismanidou und Stefan Mohr von der Organisation
der Daxburg erzählen. Immer musste man mehrgleisig fahren, auf die Inzidenz blicken, sich zig Gedanken zu einem praktikablen Hygienekonzept
machen. Klar kommt da auch so mancher Zweifel an der Sinnhaftigkeit einzelner Vorgaben für Kinderfreizeiten auf. Doch lange halten
sich die beiden Daxburgchefs nicht mit solchen negativen Gedanken auf. »Wichtig ist, dass wir überhaupt etwas anbieten
können«, sagt Mohr entschlossen. »Ja, das war uns für die Kinder wichtig«, pflichtet Marina Sismanidou ihm bei.
Also macht man in Pfrondorf aus der nicht gerade einfachen Situation das Beste. All die Richtungs-Pfeile, Beschilderungen,
Begrenzungen und Regeln fallen den Kindern eh kaum noch auf. Sie erleben ihr Ferienabenteuer, freuen sich am Spiel mit
Gleichgesinnten und lernen nebenbei in den Workshops sogar noch einiges dazu. »Das ist doch superschön, dass die Kinder hier wieder so
etwas erleben können«, freut sich da auch Andrea Mörk, die erste Vorsitzende des Trägervereins des Nagolder Youz. Sie zollt den beiden
hauptamtlichen Youz-Mitarbeitern und ihrer Betreuer- Crew höchsten Respekt – gerade auch für die Flexibilität, die von ihnen in diesen Tagen
verlangt wird.

Lob über Lob also, das gilt auch für die jungen Betreuer. Viele neue Gesichter sind unter ihnen. Von einem »Umbruch « spricht Mohr, schließlich
sind auch er und seine Kollegin vergleichsweise neu im Jugendhaus tätig. Die Daxburg erlebten sie im vergangenen Jahr das erste Mal. Auf
ihr Team lassen sie jedenfalls nichts kommen. »Ein super Team«, sagt Sismanidou. Ein wenig Erleichterung schwingt da auch mit. Die Betreuer –
das ist bei einer Kinderfreizeit das A und O. Und um noch einmal auf das Thema Corona sprechen zu kommen: Ein Lob gibt es auch für die Eltern, 
die mit viel Verständnis auf so manche

Veränderungen und Regeln reagierten. Viel Zuspruch bekomme man, sagt Marina Sismanidou. Und, dass die Kinder nicht wie
sonst üblich täglich mit dem Bus transportiert werden, sondern einzeln – oft in Fahrgemeinschaften – von den Eltern gebracht werden – auch
dem können die Betreuer etwas Positives abgewinnen. »Dadurch haben wir einen engeren Kontakt zu den Eltern«, sagt Mohr. Corona hin, Pandemie her –
es sind denn auch die positiven Eindrücke, die zählen. Dass die Kinder in diesem Jahr zweimal die Woche getestet werden mussten – davor
hatten die Betreuer auch gehörigen Respekt. Doch letztlich klappte alles besser als befürchtet. Mit den Spucktests kamen Tester und Kinder
gut zu recht. Auch von Elternseite kamen keine Querschläger gegen das Testen. Die vierte und letzte Testung liegt nun hinter der Daxburg.
Und wieder gewinnt man dem ganzen Aufwand doch noch etwas Positives ab. »Kein Test schlug an«, freut sich Sismanidou.
Da ist er wieder, dieser ungebrochene Daxburg-Optimismus. Doch man muss wohl schon ein Kind sein, um auch der hellgrünen Grenzlinie
auf dem Rasen einen positiven Aspekt zu verpassen: So eine Grenze eignet sich nämlich hervorragend dazu, spielerisch überwunden zu werden
– mit einem Ball zum Beispiel, den man sich gegenseitig zuwirft. Coronakonform, versteht sich. Mit Abstand. Vor allem aber mit ganz
viel Spaß.