Ehrenamt hat unter Corona gelitten

Die Corona-Krise belastet die Lebenshilfe Oberes Nagoldtal immens – die Macher ebenso wie die behinderten Menschen.

Beim Gespräch mit den Verantwortlichen der Nagolder Lebenshilfe und Betroffenen erfuhr die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken (rechts), wie sehr Corona die behinderten Menschen belastet.Foto: Lebenshilfe Foto: Schwarzwälder Bote

Von Schwarzwälder Bote 01.09.2020 - 17:58 Uhr

Die Corona-Krise belastet die Lebenshilfe Oberes Nagoldtal immens – die Macher ebenso wie die behinderten Menschen. Das erfuhr die Bundestagsabgeordnete und SPD- Bundesvorsitzende Saskia Esken bei ihrem Besuch in Nagold.

Nagold. Während ihrer Sommertour besucht Saskia Esken verschiedene Institutionen im Wahlkreis, um sich über die Situation vor Ort zu informieren und von verschiedenster Seite zu erfahren, wie Corona das Leben der Menschen verändert hat. Besonders durch Corona-bedingte Schließungen betroffen sind Einrichtungen wie die Lebenshilfe Nagold, die mit Angeboten der Tagesbetreuung, aber auch mit Freizeitangeboten Menschen mit Behinderung und deren Familien begleiten und entlasten.

"Für Familien, für Kinder und Jugendliche bringt Corona vielfältige Belastungen mit sich. Gerade die Kontaktbeschränkungen sind für Kinder und Jugendliche besonders schwer auszuhalten. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass Familien von Menschen mit Behinderung eine besonders schwere Zeit hatten und haben", so die Bundestagsabgeordnete Esken zu Beginn des Besuches in der Nagolder Tagespflegeeinrichtung.

Sigrid Baranek, Leiterin der Geschäftsstelle in Nagold, konnte das nur bestätigen: "Wir haben zwar Einzelbetreuung bei den Familien zu Hause angeboten, durften aber von Mitte März bis Ende Juni weder Freizeiten noch Gruppenangebote machen."

Und auch das Ehrenamt habe unter Corona gelitten. Allgemein sei die Arbeit in einem Verein, der auf ehrenamtliche Mithilfe angewiesen ist, in den letzten Jahren schwieriger geworden. "Wir kämpfen um jedes Mitglied, das bereit ist mitzuhelfen", so die stellvertretende Vorstandssprecherin und Vorstand für Haus, Technik und Fuhrpark, Konstanze Schmidt.

"Nicht über uns ohne uns" – das ist ein wichtiges Motto der Behindertenrechtsbewegung. Insofern erwies es sich als sinnvoll, dass mit Jimmy Liebermann und Silke Krespach auch Menschen mit Behinderung in der Gesprächsrunde vertreten waren, die der Abgeordneten ihre Situation schildern konnten.

"Wir sitzen die ganze Zeit im Haus"

"Wir kommen nicht mehr nach draußen, sitzen die ganze Zeit im Haus. Das ist sehr schwierig für viele von uns, vor allem für Alleinstehende", erzählte Silke Krespach, die zudem Mitglied im "Handicap-Beirat mit Pfiff" ist. Jimmy Liebermann, der ein Buch über sein Leben als Mensch mit Behinderung geschrieben hat, nimmt bei vielen Menschen eine neue Ruppigkeit wahr: "Beim Einkaufen drängeln sich die Leute jetzt immer so vor."

Daniel Geese, Pfarrer von Vollmaringen, der das Gespräch vom SPD-Ortsverein Nagold begleitete, sieht große Unterschiede bei den psychischen Auswirkungen von Corona: "Ich habe in vielen Gesprächen festgestellt, dass Menschen, je älter sie sind, umso gelassener auf die veränderte Situation reagieren. Jüngere sind deutlich nervöser, was Zukunftsängste und das Leben mit und nach Corona angeht."

Auch die Inklusion in der Bildung ist ein Thema, das die Lebenshilfe stark beschäftigt, wie Sigrid Baranek zu berichten wusste: "Wir begleiten derzeit vier Schüler mit Behinderung in einer Regelschule, aber das sind alles Einzelfallintegrationen." Daniel Geese kritisierte beim Thema die Stadtverwaltung: "Die Stadt Nagold ruht sich auf ihrer Zellerschule aus, hier passiert zu wenig. Das Gymnasium wäre gegenüber, hier sollte man auch Inklusionsprojekte anstoßen", so der Gemeinderat zum Abschluss des Gesprächs.